NS-Topografie für Westfalen und Lippe
Bearbeiter: Marcus Weidner
Die „NS-Topografie für Westfalen und Lippe“, die das Internet-Portal „Westfälische Geschichte“ zzt. erarbeitet, betritt Neuland. Ziel des Webangebots ist es, ein umfassendes, erweiterbares und aktualisierbares Online-Informationssystem zur Geschichte des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs in unserer Region zur Verfügung zu stellen. Hierin sollen die vielfältigen vorhandenen Informationen zu einzelnen Stätten – sichtbare oder unsichtbare, aus der NS-Zeit bis 1945 stammende oder in der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit nach 1945 entstandene Stätten – zusammenfassend dokumentiert und mittels interaktiver Funktionen (z. B. Zeitleisten, Bild- und Kartenzooms, Verknüpfungen) online präsentiert werden.
Wichtigstes Instrument der Topografie ist die Georeferenzierung, d.h. die Bindung von Informationen an einen Punkt in der Topografie (Geotagging), d.h. auf der Website: an eine Karte. Informationen zu Orten sollen zudem durch weiterführende Ressourcen wie z. B. Biografien, Literatur, Quellen, Bilder, (zeitgenössische) Karten oder Links angereichert und schließlich kontextualisiert werden, indem Verknüpfungen zu Strukturen und Funktionen, Prozessen und Ereignissen sowie Personen hergestellt werden.
Der zeitliche Fokus liegt zwar auf den Jahren 1933-1945, dem sog. „Dritten Reich“, greift aber auf die Vor- und Nachgeschichte aus, um die vielschichtigen Entwicklungslinien, Brüche und Kontinuitäten, um Ursachen, Strukturen, Prozesse, Biografien, Örtlichkeiten sowie gegenwärtige Überlieferungen, Gedenken und Erinnern überhaupt verstehen zu können.
Auf diesem Hintergrund ist es für Westfalen und Lippe nicht nur reizvoll, sondern auch in der Bundesrepublik Deutschland bislang einmalig, Orte der NS-Geschichte einer ganzen Region digital zu dokumentieren, unterschiedliche Datenbestände zu vernetzen, durch Techniken einer multimedialen Internet-Präsentation zu visualisieren und als inhaltlich verlässlichen, historischen Informationsserver für verschiedene Nutzergruppen bereitzustellen. Vorteil ist dabei insbesondere die zukünftige (modulare) Erweiterbarkeit und damit Aktualisierbarkeit der Informationen.
Angesichts der Komplexität und der thematischen Spannbreite wird die NS-Topografie in mehreren Schritten erarbeitet. Ziel ist es zunächst, das institutionelle Gefüge der NSDAP sowie ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbände zu erarbeiten (Modul 1).
Die westfälische NS-Topografie erfüllt insgesamt mehrere Aufgaben:
- sie informiert über einen einheitlichen Recherchezugang verschiedene Zielgruppen zuverlässig über Orte, Aspekte, Themen, Personen und Ereignisse der NS-Geschichte und des Zweiten Weltkriegs in Westfalen-Lippe;
- sie zeigt die Omnipräsenz von NS-Einrichtungen als Teil der Geschichte Westfalen-Lippes auf und wirkt der ‚Unsichtbarkeit‘ unbekannter NS-Stätten und der als entlastend geäußerten Ansicht entgegen, NS-Geschichte sei ein Problem zentraler Orte;
- über ihren visuell-georeferenzierenden Zugang ermöglicht sie neue Einblicke in Strukturen und Prozesse des NS-Herrschafts- und Verfolgungsapparats, sie verdeutlicht Zusammenhänge und liefert Informationen für vergleichende Untersuchungen;
- sie nutzt das Internet im Sinne eines zeitgemäßen historischen Informationsservers konsequent, um z. B. jüngere Zielgruppen zu erreichen, interne wie externe Verknüpfungsmöglichkeiten verteilter Datenbestände zu schaffen, multimediale Materialien zur Verfügung zu stellen, die für verschiedene Zwecke verwendet werden können, und auf weiterführende Informations- und Forschungsmöglichkeiten hinzuweisen;
- mit ihren didaktischen Materialien und vielseitigen Hinweisen auf außerschulische (Lern-)Orte eignet sie sich für historisch-politische Bildungszwecke und die Praxis forschenden Lernens, die der Monotonie formelhaften Gedenkens und moralischer Appelle entgegenwirkt, indem sie die eigenständige Erkundung fördert und damit insbesondere Jugendliche unterstützt, die außerhalb der Schule ihr Wissensbedürfnis im Internet stillen möchten;
- sie eröffnet, indem sie vielfältige Informationen zur Verfügung stellt, einen überlokalen, regionalen Zugang zur Geschichte und regt an, sich mit der NS-Geschichte unserer Regionen intensiver auseinanderzusetzen, z. B. durch die ergänzende Forschung, Präsentationen vor Ort, die Nutzung für Geschichtsprojekte oder regionale Vergleiche bestimmter Aspekte.