Kriegsendphaseverbrechen an Zwangsarbeitern im Sauerland 1945
Bearbeiter: Marcus Weidner
Zum Dossier „NS-Verbrechen an Zwangsarbeitern im Sauerland 1945“ der LWL-Pressestelle
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Zwischen dem 21. und 23. März 1945 – kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges – verübten Angehörige von Waffen-SS und Wehrmacht zwischen Warstein und Meschede im Sauerland eines der größten Kriegsendphaseverbrechen in Deutschland. Hans Kammler, SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS, ließ an drei Stellen im Arnsberger Wald 208 polnische und russische Zwangsarbeiter ermorden. Bei Eversberg erschoss und verscharrte das Exekutionskommando auf einer Wiese 80 Zwangsarbeiter. Im Langenbachtal bei Warstein wurden weitere 71 Menschen umgebracht. In der Waldgemarkung „Im Stein“ bei Suttrop erschoss ein Kommando 57 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter.
Das Verbrechen auf der Eversberger Wiese blieb zunächst geheim. Im November 1946 erhielt die englische Militärbehörde einen anonymen Hinweis. Die Toten wurden unter Aufsicht der Alliierten Ende März 1947 exhumiert und auf dem Waldfriedhof „Fulmecke“ in Meschede beigesetzt. Von den Morden bei Suttrop und Warstein erfuhren die amerikanischen Truppen schon unmittelbar nach der Befreiung. Der Kommandant befahl daraufhin ehemaligen NSDAP-Mitgliedern aus beiden Orten, die Leichen zu exhumieren. Die gesamte Bevölkerung einschließlich der Kinder musste an den Toten vorbeiziehen. Danach wurden die Leichen wiederum von den ehemaligen „Parteigenossen“ an Ort und Stelle bestattet. Um die deutsche Bevölkerung über dieses Kriegsverbrechen zu informieren, fotografierten und filmten die Amerikaner den gesamten Vorgang.
Im Jahr 1964 bettete man die ermordeten Zwangsarbeiter aus Suttrop und Warstein auf den Waldfriedhof „Fulmecke“ in Meschede um. Hierbei konnten, wie schon 1947, einige Leichen identifiziert werden, dennoch setzte man diese am neuen Grabort anonym bei. Auf dem Waldfriedhof „Fulmecke“ wurden bereits im Ersten Weltkrieg vor allem Franzosen, Italiener und Belgier aus dem nahegelegenen Gefangenenlager, in dem neben Kriegsgefangenen auch Zwangsarbeiter untergebracht waren, beerdigt. Die Kriegsgräberstätte erhielt daher den Namen „Franzosenfriedhof“. Die meisten Toten wurden später exhumiert und in die jeweiligen Heimatorte überführt. Während des Zweiten Weltkrieges diente der Friedhof auch als Begräbnisstätte für die in Meschede verstorbenen Zwangsarbeiter, die zum Teil die katastrophalen Arbeitsbedingungen nicht überlebten.
In aufwendigen Recherchen – unter anderem in britischen und amerikanischen Archiven – rekonstruiert Dr. Marcus Weidner, Historiker am LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte, seit 2017 neue Details zur Geschichte des Friedhofs „Fulmecke“. „Die Kriegsgräberstätte ist erinnerungspolitisch und historisch außergewöhnlich. Der Friedhof zeigt zum Beispiel den problematischen Umgang mit ausländischen Kriegstoten vor dem Hintergrund des Ost-West-Konflikts und der Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus nach 1945“, erläutert Marcus Weidner. Seine Forschungen sind Grundlage für die Umgestaltung des Waldfriedhofes. Die Stadt Meschede möchte zukünftig in angemessener Form an die polnischen und russischen Toten erinnern, die während der Mordaktionen der Waffen-SS und Wehrmacht im März 1945 umgebracht wurden. Auf Initiative des LWL-Instituts für westfälische Regionalgeschichte wurden in Kooperation mit der LWL-Archäologie für Westfalen 2018/2019 mehrere Grabungen im Sauerland durchgeführt.
Neben der Neugestaltung des Friedhofes „Fulmecke“ ist eine Veröffentlichung der Forschungsergebnisse geplant, die durch ein Online-Angebot, das unter anderem eine interaktive Karte enthält, ergänzt wird.