Gefahrenabwehr und Daseinsvorsorge lernen: Eine Geschichte des Instituts der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen zwischen Diktatur und Demokratie
Bearbeiter: Christopher Kirchberg
Was tun, wenn's brennt? Dieser praktischen wie theoretischen Frage gehen seit über 90 Jahren Dozierende, Ingenieur:innen und Feuerwehrleute der Region vor allem an einem Ort nach: dem Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen in Münster. Als zentrale Ausbildungsstelle für Feuerwehrführungskräfte schafft das Institut damit Sicherheit für ganz Nordrhein-Westfalen. Seit ihrer Gründung 1931 hat sich die ehemalige Provinzial- bzw. Landesfeuerwehrschule heute als Schrittmacher und Garant der Daseinsvorsorge in der Region und für die Kommunen etabliert.
In der Forschungs- und Lehrtätigkeit am Institut der Feuerwehr ging und geht es aber längst nicht nur um Brandbekämpfung, sondern vielmehr um Gefahrenabwehr im Allgemeinen und damit um grundsätzliche gesellschaftliche Herausforderungen: Die Geschichte des Instituts der Feuerwehr erzählt vom Umgang von Menschen mit Risiken und Sicherheitsbedürfnissen, von der Auseinandersetzung mit entfesselten Naturgewalten und verdichteten Lebensräumen, vom Spannungsverhältnis zwischen Mensch und Technik sowie zwischen staatlichem Steuerungsanspruch und kommunalem Ehrenamt.
Genau hier möchte das Forschungsprojekt ansetzen: Fokussieren sich bisherige geschichtswissenschaftliche Arbeiten und Festschriften zur Feuerwehrgeschichte vor allem auf einzelne lokale (freiwillige) Feuerwehren und Einrichtungen oder ausgewählte Abschnitte wie der Zeit des Nationalsozialismus, will dieses Projekt die Geschichte des Instituts der Feuerwehr über eine historische Aufarbeitung technischer oder organisatorischer Aspekte hinaus als Teil einer Gesellschaftsgeschichte der Feuerwehr in Nordrhein-Westfalen erzählen.
Dabei werden drei Ziele verfolgt: Erstens soll die gesellschaftliche Bedeutung des Instituts der Feuerwehr und seiner Vorgänger – der Provinzial-Feuerwehrschule bzw. der Landesfeuerwehrschule – herausgearbeitet und die Lehreinrichtung als Schnittstelle für soziale, politische und gesellschaftliche Wandlungsprozesse im Umgang mit Gefahren, Risiken und Sicherheit zwischen Diktatur und Demokratie verstanden werden.
Zweitens und hieran anknüpfend möchte das Projekt eine Geschichte der Sicherheit in langen Linien sichtbar machen: In einem weiten Untersuchungszeitraum von den späten 1920er Jahren bis in die frühen 1980er Jahre rücken unterschiedlichste Entwicklungen in den Fokus: Veränderungen im Selbstverständnis und Wirken des Instituts der Feuerwehr, Wandlungsprozesse von Risikowahrnehmungen und Professionalisierungstendenzen beispielsweise von Ausbildungskonzepten, aber auch das sich verändernde Verhältnis von Berufsfeuerwehr und Ehrenamt. Diese lassen sich nicht allein an den politischen Zäsuren wie 1933, 1945 oder 1949 festmachen. Drittens soll das Projekt schließlich anhand der wechselvollen Geschichte des Instituts der Feuerwehr einen Beitrag zur Einordnung der Feuerwehren in den Nationalsozialismus leisten: Denn wie die Feuerwehren vor Ort, die im Nationalsozialismus der Polizei unterstellt wurden, war auch die
damalige Provinzial-Feuerwehrschule (zwangs-)verstaatlicht worden. Neben Fragen personeller Kontinuitäten sollen damit auch die Rolle von Radikalisierungstendenzen der NS-Politik auf Ebene von Verwaltungen und ausführenden kommunalen Organen und deren Verantwortung an der Umsetzung der rassischen Zielsetzung des Staates untersucht werden.
Zur Erforschung kooperiert das Land NRW durch das Institut der Feuerwehr NRW (IdF NRW) und das Ministerium des Innern mit dem Landschaftsverband Westfalen Lippe und seinem Institut für westfälische Regionalgeschichte seit Juni 2023. Das im Wesentlichen aus Landesmitteln finanzierte Gemeinschaftsprojekt ist auf zwei Jahre angelegt.