Der Westfälische Heimatbund im 20. und 21. Jahrhundert. Heimatmachen im gesellschaftlichen Wandel zwischen 1915 und 2025
Bearbeiterin: Katharina Hugo
„Heimat ist überall“ (Bönisch et al.): Heimatministerien und Heimatschutzregimenter werden gegründet, Heimatfeste gefeiert, Heimatküche gekocht, Heimatschutz proklamiert und Heimatpflege betrieben. Neue „Heimaten“ werden gesucht, alte werden verlassen. Mal wird „Heimat“ als Konzept, das es zu öffnen gilt befürwortet, mal wird es als unbrauchbar und gefährlich verworfen. Teilweise geht es weniger darum, was „Heimat“ ist, sondern vielmehr, wer die Deutungshoheit über den Begriff hat (Binder). Dabei dreht sich die wissenschaftliche Diskussion nicht nur darum, was denn eigentlich „Heimat“ war, ist oder sein soll, sondern auch darum, wie „Heimat“ entsteht, wie sie von Menschen hergestellt wird. Zentrale Akteur*innen in der Konstruktion und Herstellung von „Heimat“ waren die Heimatvereine und ihre Dachverbände.
Ausgangspunkt des Forschungs- und Vermittlungsprojekts „Der Westfälische Heimatbund im 20. und 21. Jahrhundert: Heimatmachen im gesellschaftlichen Wandel zwischen 1915 und 2025“ ist die Aufarbeitung der Geschichte des Westfälischen Heimatbundes (WHB).
An der Arbeit des WHB lassen sich Kontinuitäten und Brüche des „Heimat“-Verständnisses ebenso zeigen wie der Wandel von Raumbezügen und Gruppenzugehörigkeit, von Inklusion, Exklusion und Integration, bürgerschaftlichem Engagement und Ehrenamt, vom Verhältnis zwischen Stadt und Land, zwischen Natur und Mensch, zwischen Westfalen und der Welt.
Ausgehend von der koordinierenden Ebene des Dachverbandes soll dessen Rolle als Impulsgeber in der Auseinandersetzung mit Heimatbegriffen vor dem Hintergrund unterschiedlicher historischer Ereignisse, Prozesse und Veränderungen im 20. und frühen 21. Jahrhundert untersucht werden: Dazu zählen unterschiedliche politische Systeme, Kriege, Flucht- und Migrationsbewegungen, Strukturwandel, die Neuen Sozialen Bewegungen und die sich verändernde Rolle von Frauen, um nur einige zu nennen. Die Koordination von Programmen und Praktiken vieler Heimatvereine eröffnet Einblicke in das „Heimatmachen“ vor Ort. Schließlich können auch Erkenntnisse über den Niederschlag sich wandelnder Heimatkonzepte bei denjenigen gewonnen werden, die sich Schutz, Erhaltung und Gestaltung von „Heimat“ zur Aufgabe gemacht haben. Welche Rolle spielten westfälische Heimatvereine und der westfälische Heimatbund in der gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Heimat: Bringen sie neue Heimatverständnisse hervor oder reagieren sie auf diese?
Der zeitlich weite Horizont ermöglicht überdies eine Einordnung des WHB in Wandlungsprozesse Westfalens, die das Wirken des Heimatbundes prägten, aber ebenso umgekehrt. Die Geschichte des WHB ab den 1970er Jahren stellt darüber hinaus ein Desiderat dar, so dass neue Erkenntnisse über die Arbeit des WHB vor dem Hintergrund eines sich erneut wandelnden Heimatbegriffs gewonnen werden können.
Das dreijährige Vorhaben versteht sich dezidiert als Vermittlungsprojekt, das zu einer interaktiven Auseinandersetzung mit einem Stück westfälischer Geschichte und Perspektiven von Heimat und ihrem Wandel einlädt. Über unterschiedliche Kanäle sollen die Wissensinhalte an ein breites Publikum herantragen werden. 2025 startet eine mobile Rollup-Ausstellung begleitet von einer Online-Präsentation und weiteren digitalen Angeboten. Eine Veröffentlichung in der Handreichungsreihe des WHB ist ebenso vorgesehen wie ab 2026 eine vertiefende wissenschaftliche Publikation in der Reihe des Instituts für westfälische Regionalgeschichte. Im Rahmen verschiedener interaktiver und interdisziplinärer Austauschformate sollen die Perspektiven unterschiedlicher Akteure aus Praxis und Wissenschaft einbezogen werden.
Das Projekt wird von der LWL-Kulturstiftung im Rahmen ihres für das Jahr 2025 festgelegten Schwerpunktes „1.250 Jahre Westfalen“ gefördert. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt.